Von Außen nach Innen

Akzentuierung von Wohnbereichen

Die Geschichte der Ziegelsteine ist in erster Linie eine Geschichte der Fassade. Klinker sollte nach außen wirken, für die Innenbereiche wählte man früher Materialien, die weniger urwüchsig wirkten und besser verziert werden konnten. Dennoch hat sich Klinker in den vergangenen Jahren verstärkt in den Innenräumen ausgebreitet und entfaltet hier eine neue, spannende Wirkung.

Je fortschrittlicher die Jungsteinzeit wurde, desto mehr Ansprüche stellten die Menschen an die Baumaterialien. Rund um Jericho, im sogenannten „fruchtbaren Halbmond“ nördlich von Mesopotamien, entstanden die ersten luftgetrockneten Ziegelsteine. Erst 3.500 v. Chr. lernten die Menschen, Ziegel zu brennen, die Römer perfektionierten diese Methode weiter. Um 1.200 begann dann die Hochzeit der Klinkerbauten – es entstanden imposante Kirchenbauten, die später den Begriff „Bausteingotik“ prägten. Dann war erst mal Schluss mit Klinker – zumindest, was die Außenwirkung betraf. In der Renaissance und im Barock war eine „feinere“ Optik gefragt, der raue, urwüchsige Klinker passte (für das Außenbild der Bauten) nicht in die neue Mode. Zwar diente er weiterhin als Tragwerk, die äußere Fläche wurde jedoch mit Putz, Stuck oder Naturstein verdeckt.

Repräsentative Eingangsbereiche

Die Volksbank in Telgte hat den Eingangsbereich ihres Erweiterungsbaus mit Klinker gekleidet. Weinrot, rötlich-braune und grüne Töne der Sortierung „Cuxhaven“ leiten die Besucher ins Innere, eine horizontale Bänderung lockert den unteren Bereich der Wände bis zu den Türstürzen sowie an der Decke auf und gibt weitere Struktur.

Auch der Westfalentower in Münster baut auf Tradition. Die rotbraun-blaue Sortierung „Regensburg“ punktet mit Kohlebrand-Aufschmauchungen und präsentiert sich eigenständig neben dem Logo der Westfalen AG. Kontraste bieten der graue Steinboden und Glas sowie silberne Metalltöne der weiteren Materialien, die hier verbaut worden sind.

Im russischen Moskau präsentieren sich die Bauten des „Garden Quarters“ nach außen als Ensemble aus in Materialität, Reliefierung und Struktur variierenden Volumen. Auch im Innern wird die Arbeit mit ausgearbeiteten Reliefs fortgeführt, die den Innenwänden eine besondere Struktur geben.

Ein weiteres Beispiel für eine gelungene Innenverblendung mit Klinker ist das Wohn- und Geschäftsgebäude BOA VISTA in Hamburg in unmittelbarer Nähe zur Elbphilharmonie. Mit dem rotbraunen Klinker der Sortierung Holsten mit kräftigen Kohlebrandschmauchungen wird dem Foyer im Innern ein lebendiger Ausdruck verliehen.

Robuste Akzente

Im niederländischen Nistelrode zeigt sich ein Modehaus im neuen Gewand. Im Innenbereich kam die grau-weiß bis ins bläulich-braun changierende Sortierung „Farsund HS“ zum Einsatz. „Der Eingang sollte sich visuell abheben und einen Akzent setzen“, sagt Projektarchitekt Geert Bosch. Von nahem betrachtet hat der Klinker eine hohe Sicht- und Oberflächenqualität, „das sorgt für eine ansprechende Innenwand“, so Bosch weiter. Die Gesamtschule Köln-Rodenkirchen hat sich für ihren Neubau ebenfalls für Klinker im Außen- und Innenbereich entschieden. Die eigens zusammengestellte Objektsortierung „Rodenkirchen“ in dunkelbraun-oliv bis rötlich schimmernden Farben besticht durch violett- und orangefarbene Farbanteile und kräftigen Kohleschmauch. Der Klinker ist besonders robust und schützt die Innenbereiche vor Abnutzung und Vandalismus.

Gewollter Stilbruch

Doch auch private Bauherren haben erkannt, dass Klinker nicht nur eine spannende Fassade kreieren kann, sondern sich ebenfalls für einen gekonnten Stilbruch im Inneren des Hauses anbietet. Besonders beliebt ist dabei das Spiel mit farblichen Gegensätzen, um einzelne Wohnbereiche zu akzentuieren. Die Hagemeister-Sortierung „Manchester“ haben gleich drei Bauherren genutzt, um ihren Innenräumen einen außergewöhnlichen Touch zu verleihen. Das Haus P auf dem Dortmunder Ahlenberg besticht durch eine Wand, deren äußerer Rahmen mit Klinker geschmückt wird. Zurückversetzt heben sich großflächige Natursteinplatten ab, die in den Kamin übergehen. Auch in einem Wohnhaus in Markranstädt bei Leipzig ist der Kamin der Wohnbereich, der auf herausragende Weise hervorgehoben wird. Eine schmale Bänderung, in die er eingefasst ist, wird von Klinker umschmeichelt. Die anderen Wände sowie der Boden sind in warmen Tönen gehalten und ergeben ein stimmiges Gesamtbild. In Venlo hat ein Architekt für seine Eltern ein Haus gebaut, deren Küchen- und Wohnbereich ebenfalls auf Klinker setzt. Auch hier sorgen die Materialien der Geräte sowie der Wände und Böden dafür, dass der Raum dennoch nicht starr wirkt, sondern vielmehr aufgelockert und zeitlos.

Klinker hat sich emanzipiert

Der Werkstoff Klinker hat sich in den letzten Jahren emanzipiert und ist selbstbewusst geworden. Was früher fast ausschließlich als Außenfassade genutzt wurde, da es witterungsbeständig und robust war, wird jetzt vermehrt als Designelement eingesetzt und verknüpft das Außen mit dem Innen. Über die gemeinsame Materialsprache kommunizieren die architektonischen Komponenten des Baus intensiver. Diese Nutzung ist dabei bewusst gewollt, um Gegensätze zu erzeugen und neue Blickwinkel auf Räume zu gewähren. Klinker beweist damit einmal mehr seine vielfältigen Einsatzmöglichkeiten.

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