Dies ist ein bearbeitetes Fragment aus „Het Zinderend Oppervlak“ von Koen Mulder (TU Delft). Ein Buch über Mauerwerksverband als Musterkunst und als Kompositionswerkzeug für den Architekten.
Manche Maurer glauben, dass der Kreuzverband so genannt wird, weil eine Längsseite mit einer Kopfseite darüber und darunter zusammen eine Art Kreuzchen ergibt; eigentlich eher ein kleines Pluszeichen. So gesehen könnte man den Flämischen oder Stehenden Verband auch als Kreuzverband bezeichnen.
Ich denke, dass der Verband wegen eines Musters, das ich sekundär betiteln will, so genannt wird. Dies schließt sich – laut des Masonry Construction Manual (Birkhauser, 2001) – an die alternative englische Bezeichnung für Kreuzverband an: Saint Andreas bond. Das diagonale Kreuz, das man verwendet, um einen Bahnübergang zu signalisieren.
Wenn man mit leicht zusammengekniffenen Augen hinschaut, dann erkennt man ein Muster von sich diagonal kreuzenden Linien: Kreuze der Stoßfugen, die fallenden Linien, die sie formen, die „Mäusetreppen“ oder mitunter eben die in der Breite der Längsseite diagonalen Verbände des zuvor erwähnten Pluszeichens. Und wenn das Muster gebrochen wird, ergibt sich im Gesamtbild eine Unregelmäßigkeit, die sich erst nach präziser Erforschung ersetzen lässt.
Im Falles des Kreuzverbandes handelt es sich also für den einen um eine primäre Stapelung und für den anderen ist es das sekundäre Muster, das dem Verband seinen Namen gibt. Aber bei einem „Kettenverband“, wie dem hier abgebildeten, muss es jedoch das sekundäre vertikale Linienmuster von Kopfseiten in Stoßfugen eingebettet sein, die man als Kettenlinie wiedererkennt. Handbücher aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts waren für Maurer gedacht. Selten erwähnen sie diese Musterkunst. Häufig wird jedoch die konstruktive Lösung, wie man Ecken und Ränder vor Ort gestaltet, erklärt. (Und ab und an sogar in Varianten, die überhaupt nicht musterkonform sind). Die Beziehung zwischen der Linien- und Musterführung und dem Gebäude im Ganzen wurde niemals deutlich gemacht und erklärt. Es scheint, als ob sich die Handbücher mehr auf die primäre Handlung des Stapelns bei der Maurerarbeit richten, als das schlussendliche Gesamtbild der Fassade im Blick zu haben.
Dieses Bild ist allerdings während des Bauens oftmals auch schwer zu erkennen, weil das Gerüst größtenteils die Fassade verdeckt. Die Beziehung des Ganzen und der Einzelteile lag in der Verantwortung des Architekten. Der Architekt hatte die Übersicht über die Pläne – auch muss hierbei natürlich bedacht werden, dass das intakte Klinkermuster – der Computer-hatch – zu Beginn der Zeichnungen noch nicht verfügbar war.
Die Möglichkeiten des Architekten waren beim Zeichnen begrenzt und er wusste genau, auf welche handwerklichen traditionellen Kenntnisse der Maurer er vertrauen konnte. Mancher Architekt begann seine berufliche Laufbahn selber als Maurer oder Zimmermann und hatte sich in der Abendschule zum Baumeister ausbilden lassen. Er konnte sich in den Zeichnungen oftmals auf das Zeichnen der Schichten, die Angabe des Verbandes und dem Ausarbeiten eines lokalen Ornamentes begrenzen. Doch dadurch kam es bei der Ausführung auch ziemlich häufig zu Fehlern, wenn der Maurer innerhalb eines Verbandes mit einem abweichenden Klinker nicht auskam. An der Ecke treffen Geometrie und Muster aufeinander.
Vielleicht war es deshalb, dass bei der Anwendung aller traditionellen Verbände eine Neigung entstand, sich der Ecke eher mit mehr dann weniger Stoßfugen zu nähern.
Mehr Stoßfugen fallen weniger auf als ein das Muster unterbrechendes Exemplar. So ist das sekundäre Muster oftmals das am wenigsten gestörte und es entsteht kein toter Fleck am Rand.
Primäres Stapelmuster und sekundäres Muster
Die Abbildungen verdeutlichen den Unterschied zwischen einer primären Stapelung und einem sekundären Linienmuster oder Motiv sehr gut. In den Niederlanden gibt es den Begriff Noors (Norwegischer) oder Noords (Nordischer) Kettenverband. Beide Bezeichnungen sind gebräuchlich, da wir nicht genau wissen, ob damit ein Verband aus Nord-Europa gemeint ist oder ob ausdrücklich auf Norwegen als Abstammungsort verwiesen wird. In Deutschland spricht man vom Märkischen Verband. Und Engländer wiederum vom monk bond, aber benutzen den Begriff für alle Varianten, bei denen abwechselnde Schichten einer einzelnen Kopfseite und einer doppelten Längsseite auf unterschiedliche Art und Weise verschoben sind.
Eine solch besondere Verlagerung war aus Skandinavien bekannt. Das Foto stammt aus Wikipedia und ist in Solna, Schweden, aufgenommen. Ein prächtiges Zickzack-Muster, markiert durch die fallende Spitz, nimmt dem Betrachter hier beinahe die Sicht auf die primäre Stapelung der Klinker. Doch fußt dieses Muster zu allererst auf das Legen von Klinkerkopf- und Längsseiten in der Art des Märkischen Verbandes. Man muss als Maurer nur sehr genau darauf achten, wo man die folgende Schicht ansetzt.
In Twente, im östlichen Teil der Niederlande, kommt ein Verband häufig vor, der auf dem ersten Blick dem Märkischen Verband ähnelt. Er ist beispielsweise in der Langstraat neben dem Enscheder Rathaus angewandt worden. Man könnte es den Twenter Verband nennen, da bisher kein eindeutiger Name dafür gefunden werdenkonnte. Direkt springen wieder die regelmäßigen vertikalen Kettenlinien ins Auge, die sich zudem mit stehenden Linien abwechseln. Bei näherer Betrachtung scheint dieser Verband auf das Legen einer Längsseitereihe und einer Reihe sich abwechselnder Kopf- und Längsseiten zu basieren. Die nebeneinander gelegenen „Kettenglieder“ befinden sich hier stets auf derselben Höhe. Der Verband ist offensichtlich ein Mix aus dem Flämischen Verband und dem Kreuzverband: populäre Verbände in benachbarten Regionen. Im Twenter Städtchen Ootmarsum ist ein Verband aufgefallen, der stark dem Muster aus Solna ähnelt. Auf den ersten Blick scheint die Zickzack-Optik hier aus fünf diagonal gestapelten Längsseiten anstelle von vieren zu bestehen. Wer jedoch genau hinschaut, der sieht, dass die primäre Stapelung hier eine andere ist: Die Basis bildet nicht der Märkische Verband, aber die soeben beschriebene Twenter Variante hiervon.
Aufeinandertreffen
Es scheint mir eine gute Illustration zwei unterschiedlicher Musteraspekte von Mauerwerksverband, die zwischen der primären Stapelung und dem sekundären Linienspiel oder Muster unterscheiden. Vielleicht ist es eine typische Unterscheidung in der Herangehensweise zwischen Bauarbeiter und Planer. Der Maurer wird dazu gezwungen, vom kleinsten Element aus zu denken, das er in Schichten legt. Der Architekt geht von der Perspektive des Ganzen aus, aus der alle Elemente aufgebaut werden müssen. Irgendwo in der Mitte treffen sich die beiden beim sekundären Muster. Wenn der Maurer in seiner üblichen Stapelreihenfolge den Anfangspunkt der Schichten variiert, wird er dann und wann auf ein besonderes Muster stoßen. Wenn der Planer größere Strukturen – ein zusammengesetztes Rauten- oder ein Fischgrätmuster – auf die Klinkerfassade bringen will, muss eine besondere Wiederholung der Schichten in einer festen Klinkerrangfolge eingehalten werden.
Bei diesem Beitrag handelte es sich um einen Auszug aus „Het Zinderend Oppervlak“ von Koen Mulder. Ein Buch über Mauerwerksverband als Musterkunst und als Kompositionswerkzeug für den Architekten. Die erste Idee zu diesem Buch entstand während des HP Architekten-Projektes zum Wohnungsbau an drei Plätzen im Amsterdamer Stadtviertel De Pijp für die Baugenossenschaft Ymere. Dort untersuchte der Autor erstmals, wie Rhythmen und Maßsystematiken besonderer Mauerwerksverbände als Proportionssystem im Fassadenentwurf dienen können. Das Buch kam einerseits über Fördermittel des Nederlandse Nederlandse Stimuleringsfonds Creatieve Industrie und andererseits mit Hilfe von mehr als 200 Architektenkollegen aus den Niederlanden und Flandern zu Stande, die sich an einer Crowdfundingkampagne beteiligt hatten. Es erschien im Januar 2016 und im Mai folgte der erste Nachdruck. Das Ziel ist, dass es in Kürze eine Übersetzung ins Englische und Deutsche zustande kommt.
Mehr dazu https://www.boekenbestellen.nl/boek/die-beschwingte-flache/24051?lang=de
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