„Man muss Klinker nicht gestalten, er ist Gestaltung selbst.“

Professor Christoph Mäckler über die Bedeutung und Zukunft von Klinker

SW_ProfMäcklerArchitekt, Hochschullehrer und Gründer des Instituts für Stadtbaukunst, Professor Christoph Mäckler, vertritt eine Architektur der Angemessenheit. Dabei stehen die Funktionalität und die Dauerhaftigkeit der Gebäude sowie die Eingliederung der Bauten in ihren städtebaulichen Kontext im Vordergrund. Am  Klinker schätzt er besonders dessen langlebigen und lebendigen Charakter. Im Interview spricht er über Qualitäten und Grenzen des Baustoffs, über Klinkerkultur und Vor- und Nachteile aktueller Wärmeschutzmaßnahmen.

Welche architektonischen Einflüsse haben Sie in Ihrer Laufbahn geprägt? Wie definiert sich Ihre Architektur?

Professor Christoph Mäckler: Mich hat zunächst der Funktionalismus geprägt und die Art und Weise, wie in den 70er Jahren in Deutschland Architektur gemacht wurde. Der Funktionalismus hat dazu geführt, dass wir wieder angefangen haben, über Architektur nachzudenken, insbesondere über Stadtarchitektur. Ich orientiere mich an der Kultur der Stadt. Meine Gebäude beschäftigen sich immer mit dem Ort an dem ich baue, mit seiner Geschichte, seiner Kultur und mit seinen Materialien. Ich schaue mir an, wie sich der Ort im Laufe der Jahrhunderte entwickelt hat und versuche mit einer eigenen Architektur darauf einzugehen.

Welche Bedeutung hat Klinker für Ihre Architektur?

Professor Christoph Mäckler: Die Bedeutung des Klinkers ist für mich sehr groß. Ich habe schon als junger Architekt eines meiner ersten Gebäude mit Klinker versehen. Es handelte sich um eine Kindertagesstätte in Frankfurt am Main/Sossenheim. Bei der Planung bin sehr schnell auf einen Tonbrandklinker gekommen. Das Material hat mich überzeugt, weil es an sich schon ein Stück Gestaltung ist. Man muss Klinker nicht gestalten, er ist Gestaltung selbst. Er ist ein Element, das schön anzusehen ist. Das war damals für mich sehr wichtig. Und die Häuschen dieser Kindertagesstätte stehen heute noch wie eine Eins und werden auch in 100 Jahren noch dort stehen. Der Klinker ist einfach nicht zu zerstören, er hält über Jahrzehnte und Jahrhunderte, ohne dass man ihn sanieren muss.

Welche Leitidee verfolgt das Institut für Stadtbaukunst und welche Projekte werden derzeit verfolgt?

Professor Christoph Mäckler: Das Institut für Stadtbaukunst beschäftigt sich mit dem Thema Stadt und Stadtraum, mit dessen Vielfalt, Lebendigkeit, Nutzungsmischung und der architektonischen Qualität von Orten, Plätzen und Straßen – alles Dinge, von denen in den letzten Jahrzehnten sehr wenig gesprochen wurde. Wir veranstalten z.B. die jährlich in Düsseldorf stattfindende „Konferenz zur Schönheit und Lebensfähigkeit der Stadt“. Außerdem unternehmen wir unterschiedliche Forschungen. Wir schließen gerade ein sehr spannendes Projekt mit dem Titel „Stadtbild und Energie“ ab. Dort behandeln wir das Thema Energie nicht nur technisch und baukonstruktiv sondern besonders auch auf der städtebaulichen Ebene.

Welche Beobachtungen Ihrer aktuellen Forschungsarbeiten können Sie beschreiben?

Professor Christoph Mäckler: In Dortmund und in Frankfurt a. M. versuchen wir über Langzeitmessungen zu erfahren, wie unterschiedliche Fassadenaufbauten zu bewerten sind. Uns kommt es darauf an, Häuser im täglichen Gebrauch zu testen. Wir wollen sehen, wie wichtig der Wandaufbau energetisch ist, wie verschiedene Wandaufbauten auf unterschiedliche Einflüsse reagieren, wie wichtig das Nutzerverhalten des Bewohners ist und, wie dauerhaft solche Konstruktionen sind. Klinker wird in diesem Projekt auch eine Rolle spielen, um Zweischaligkeit der Fassade zu testen.

Wo liegen Ihrer Meinung nach die Stärken und Qualitäten des Klinkers?

Professor Christoph Mäckler: Das Wichtigste ist die Dauerhaftigkeit des Klinkers. Wir reden ja immer von Energie und Ökologie im Bauwesen. Da spielt der Klinker eine ganz große Rolle, da er ein Material darstellt, das nahezu unverwüstlich ist. Ich glaube alleine durch seine Dauerhaftigkeit hat der Klinker eine ganz große Zukunft. Er hat eine Selbstverständlichkeit und kann altern. Das zweite ist die Lebendigkeit, die man beim richtigen Gebrauch des Klinkers mit seinem Fugenspiel und mit seiner Farbigkeit in die Fassade einbringen kann. Er hat eine Qualität, die fast unschlagbar ist.

Wo liegen die Grenzen des Klinkers?

Professor Christoph Mäckler: Der Feind des Klinkers ist das Handwerk. Leider gehen uns die richtigen Maurer abhanden und die Kosten für die Verarbeitung steigen. Doch wenn man dauerhaft baut, wird aus der vermeintlich teuren Ware plötzlich eine preisgünstige Ware. Die Herstellungskosten eines Gebäudes müssen ja über die Zeit des Bestandes gerechnet werden. Wir werden auch wieder andere Zeiten erleben, in denen das Handwerk wieder stärker sein wird und in der das Maurerhandwerk wieder etwas Besonderes ist, wie alle Handwerksarten.

Welche Bedeutung hat Klinker für die Ästhetik und Nachhaltigkeit von Architektur?

Professor Christoph Mäckler: Dauerhaftigkeit wird hier im Sprachgebrauch immer als Nachhaltigkeit bezeichnet. Meiner Meinung nach ist der Begriff Nachhaltigkeit aber ein falsches Denken. Wir können nicht immer wieder neu aufforsten. Wir sollten wieder versuchen Häuser zu bauen, die mehrere Generationen überleben und für mehrere Generationen nutzbar sind. Es kann nicht sein, dass wir Häuser abreißen, die gerade mal 30 Jahre überlebt haben. Das ist mit Sicherheit energetisch aber auch ökologisch ein großer Fehler. Gerade in unseren Breitengeraden müssen wir wieder massiver bauen, um den Energiehaushalt besser zu regulieren. Damit hat der Klinker als Steinmaterial eine große und zukunftsweisende Bedeutung. Die Hamburger Speicherstadt, oder die Großmarkthalle in Frankfurt am Main von Martin Elsaesser sind schöne Beispiele für Gebäude, bei denen zwar mit der Zeit die Fenster ausgetauscht werden mussten, der Ziegel jedoch über Jahrzehnte erhalten geblieben ist. Und das zeigt wie wertvoll dieses Material ist.

Wie sind Ihrer Meinung nach die EU-Vorgaben zum Null-Energie-Standard und das langfristige Ziel von Plusenergiehäusern realisierbar?

Professor Christoph Mäckler: Das sind Moden, die wieder vergehen werden. Wir sind Menschen und keine Astronauten, die in von der Natur völlig abgetrennten Nullenergiehäusern leben wollen. Deswegen glaube ich, dass die EU-Vorgaben eher keine langfristigen Ziele sind. Viele Dinge sind zu kurz gedacht und zu stark beeinflusst von politischen Strömungen. Natürlich haben wir erschreckende Energiewerte, die wir in irgendeiner Weise einschränken müssen. Insgesamt sollten wir uns dabei aber mehr mit unserem Altbaubestand befassen.

Welche Nachteile bringen aktuelle Wärmeschutzmaßnahmen bei der Sanierung von Altbauten mit sich? Welche Alternativen zur nachträglichen Fassadendämmung sehen Sie?

Professor Christoph Mäckler: Was die Energieeinsparung angeht, wird der Fassade viel zu viel Wert beigemessen. Mit einer guten Haustechnik kann man alleine schon bis zu 40 Prozent Energie einsparen. Wenn dann noch die Kellerdecke und das Dach effizient gedämmt werden, hat man schon sehr viel erreicht. Wenn ich mir z.B. die Wandaufbauten einer 20er Jahre Ernst-May-Siedlung anschaue, sehe ich Betonfertigteile, die ungedämmt oder nur schwach gedämmt sind. Ich kann mir vorstellen, dass dabei eine Vormauerschale mit einer Wärmedämmung eine sinnvolle Lösung darstellt – im Gegensatz zu Wärmedämmverbundsystemen, die nach 20 Jahren wieder entsorgt werden müssen. Bei den Sanierungsmaßnahmen sollten wir zu dauerhaften Lösungen kommen. Deshalb ist eine Vormauerschale ein erstrebenswertes Ziel.

Mit welchen Maßnahmen kann die Klinkerkultur erhalten und gefördert werden?

Professor Christoph Mäckler: Ich denke die öffentlichen Auftraggeber sollten sich bei ihren Schulen, Krankenhäusern, Kindertagesstätten und Institutsbauten der Universitäten darauf besinnen mit langlebigen Materialien zu bauen. Damit wäre er Vorbild für dauerhaftes Bauen. Mit Klinker könnte man Dauerhaftigkeit als einen ökologisch anzustrebenden Wert auch sichtbar in der Gesellschaft verankern. Das halte ich für ganz wichtig. Das Zweite womit man die Klinkerkultur fördern kann, ist sicherlich die Kommunikation des Produktes. Der Klinker müsste viel präsenter sein und wieder zu einem selbstverständlicheren Baumaterial werden. Er ist ein Naturprodukt und hat als solcher einen ganz eigenen Wert. Hersteller und Ziegelverband sollten die jungen Leute in den Universitäten für das Material begeistern und die Vielfältigkeit, die Farbenfreude und die zahlreichen Möglichkeiten des Klinkers demonstrieren. Man muss die Kultur und die Wertigkeit des Materials im einzelnen Gebäude sehen und die Schönheit zeigen, die er erzeugen kann.

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