Peter L. Wilson ist Architekt und Büropartner bei BOLLES+WILSON GmbH & Co. KG in Münster. Für ihn ist Klinker eines der nachhaltigsten Baumaterialien. Denn energieeffizient zu bauen bedeutet für ihn, den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes zu betrachten. Mit Blick auf Langlebigkeit könne der Klinker seine Qualitäten voll ausspielen.
Was macht den Reiz des Klinkers aus?
Peter L. Wilson: Seine Solidität. Klinker ist ein absolut dauerhaftes, würdiges Material. Er ist sehr robust. Sein Reiz besteht in seiner charakteristischen Optik ebenso wie in seiner Masse.
Welche besonderen Qualitäten des Klinkers sind für Ihre Entwürfe entscheidend?
Peter L. Wilson: Etwa 40 bis 50 Prozent unserer Bauwerke bauen wir mit Klinker. Bauherren sind immer beruhigt, wenn wir Klinker einsetzen. Er hat eine allgemeine Akzeptanz, weil er ein sehr bekanntes und vertrautes Material ist. Denn Klinker altert sehr elegant. Andere Materialien müssen gepflegt werden. Klinker mit Patina ist dagegen noch schöner als neuer Klinker.
Warum prägen dann so viele Betonbauten die aktuelle Architektur?
Peter L. Wilson: In dieser Frage gilt es, kurzfristige Effekte und langfristige Qualitäten zu unterscheiden. Beton ist zurzeit sehr „in“. Aber wir alle wissen, dass Beton im Außenbereich bei weitem nicht die Langlebigkeit hat wie Klinker. Bei der Materialwahl muss man die ganze Lebensdauer des Gebäudes im Auge behalten. Deshalb verwenden wir von BOLLES+WILSON außen fast nie Sichtbeton.
Welche Formate und Oberflächen sind für Ihre aktuelle Architektur besonders interessant?
Peter L. Wilson: Wir experimentierten sehr viel mit texturhaften Oberflächen sowie Vor- und Rücksprüngen, einer Dreidimensionalität der Fassade. Ein Beispiel ist das neue Stadthaus im niederländischen Haarlem. Dort haben wir mit unterschiedlichen Verfugungsfarben sowie Vor- und Rücksprüngen der Klinkerschichten gearbeitet. Dadurch ist eine Art textiler Oberfläche entstanden, die uns absolut begeistert.
Das Arbeiten mit Klinker ist fast wie Weberei. Jedes Mal, wenn wir mit Klinker arbeiten, machen wir ein anderes Experiment mit dem Verlegemuster oder mit der Tiefe der Fassade.
Welches Klinkerbauwerk hat für Sie herausragende Bedeutung?
Peter L. Wilson: Das Chilehaus des Hamburger Architekten Fritz Höger. Es ist ein Hauptwerk des Expressionismus der 30er Jahre. Das Gebäude hat eine unglaublich schöne dekorative Ziegelfassade und natürlich eine sehr bekannte expressive Form. Wenn man das Chilehaus von Nahem betrachtet, hat es eine haptische und fast lesbare Oberfläche. Ich gehe immer wieder gern vorbei, um es anzusehen.
Wie hat sich die Bedeutung des Ziegels für das Bauen gewandelt?
Peter L. Wilson: Ursprünglich hat man massiv mit dicken Wänden aus Klinker gebaut. Das war eine sehr nachhaltige Bauweise. Jetzt bauen wir mit einem Betonskelett und vorgehängter Klinkerschale mit den Problemen der Dehnfuge. Dafür muss die Ziegelfassade mit einem Streifen Silicon geteilt werden. Nach etwa zehn Jahren erfordern die Problem-Streifen dann häufig eine Erneuerung. Das steht im Gegensatz zum langlebigen Klinker, der seinen Wert erhält.
Für die Zukunft wäre es sinnvoll, zurückzukehren zum Massivbau mit 60 bis 80 Zentimeter dicken Klinkerwänden. Das ist nachhaltig das Beste und verfügt über ausreichend Speichermasse. Wir Architekten kämpfen gegen die weit verbreitete Dämm-Manie. Wer massiv baut, braucht keine Kunststoffdämmung. Der Klinker selbst dämmt. Das Problem ist, dass diese Lösungen zunächst teurer sind, sich aber langfristig rechnen. Dafür benötigt man einen guten Bauphysiker, der dem Bauherrn die langfristigen Vorteile erklären kann.
Energieeinsparung und Klinker – wie passt das zusammen? Kann man energiesparend mit Klinker bauen?
Peter L. Wilson: Es gibt unterschiedliche Wege zum energiesparenden Bauen. Der eingeschlagene Weg der EnergieEinsparVerordnung mit Vorschriften zur Dämmung macht nicht besonders viel Sinn für das integere Bauen. Deshalb protestieren viele Architekten gegen die vorgeschriebene Dämmschicht.
Ein anderer Weg, energieeffizient zu bauen, ist, mit Hintermauerziegel oder dickeren Wänden zu arbeiten. Dann dämmt das Material selbst, und man braucht auch keine Kunststoffdämmung. Doch dafür bedürfte es einer stärkeren Klinkerlobby in Brüssel.
Ist der Klinker ein Baustoff der Zukunft?
Peter L. Wilson: Ich denke schon, ja. Wenn wir uns für eine nachhaltige Bauweise entscheiden, wird Klinker eine sehr wichtige Rolle spielen. Denn neben den Baukosten gewinnen die „Life Cycles“ von Baustoffen immer mehr an Bedeutung. Deshalb wäre es hilfreich, wenn die Klinkerindustrie in „Life Cycle“ -Berechnungen darlegen könnte, dass sich der Energieverbrauch im Herstellungsprozess des Klinkers mit Blick auf die Dauerhaftigkeit des Materials rechnet. Denn Klinker überdauert 50 bis 100 Jahre, Fassaden aus anderen Materialien müssen schon nach 20 bis 30 Jahren erneuert werden. Das zeigt, dass Klinker eines der nachhaltigsten Materialien ist.
Foto: Thomas Rabsch
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