Für Architekt Matthias Haber, Partner Hild und K Architekten mit Sitz in München, gilt das Motto des italienischen Architekten und Designer Aldo Rossi „Die Architektur, das sind die Architekturen“ auch für seine Arbeit. Im Interview erläutert er, wie er über die Analyse von Bestandsbauten eine Art Evolution in der Architektur nachvollziehen konnte, an welchen Leitbildern sich seine Entwürfe orientieren und welche Eigenschaften des Klinkers Ihn besonders überzeugen. (Foto: Wilfried Dechau)
Wie definiert sich Ihre Architektur? Welche architektonischen Einflüsse haben Sie in Ihrer Laufbahn geprägt?
Matthias Haber: Die Architektur setzt sich immer wieder neu aus vorgefundenen Elementen der Baukultur zusammen. Diese Grundidee meiner Arbeit spiegelte sich bereits in meiner Masterthesis an der ETH Zürich wider. Darin habe ich mich mit dem Thema „der Sockel“ auf einen überschaubaren Bereich von Gebäuden konzentriert. Vornehmlich in den Städten München, Wien und Zürich, in denen ich mich in dieser Zeit aufgehalten habe, konnte ich über die Analyse an Bestandsbauten eine Art Evolution nachvollziehen. Und genau das interessiert mich: Einen weiteren Schritt in der Evolution zu gehen. Etwas aus dem Vorgegebenen wie z.B. Situation, Kontext, Bestand, Bedingungen heraus weiter zu entwickeln und mich dabei aus dem reichen Schatz der Architekturen zu bedienen. So entsteht etwas nur auf den ersten Blick Gewohntes, das auf den zweiten Blick neu und überraschend ist. Diese Arbeitsweise wurde schrittweise in vielen Phasen meiner Laufbahn geprägt, etwa durch mein Studium in München bei meinem jetzigen Partner Andreas Hild, meine Zeit an der ETH Zürich bei Hans Kollhoff oder in Chicago. Diese Entwicklung hört aber eigentlich nie auf. Jetzige Einflüsse ziehe ich aus meiner Arbeit im Büro Hild und K mit meinen Partnern Dionys Ottl und Andreas Hild, mit unseren Mitarbeitern oder aus der Kooperation mit Kollegen wie etwa Bruno Krucker und Stephen Bates an der TU München.
An welchen Leitbildern orientieren sich Ihre Entwürfe?
Matthias Haber: Schöne Vorbilder sind eigentlich überall zu finden. In München beispielsweise gibt es sehr viele gute Gebäude, die um die Jahrhundertwende von Carl Hocheder, Robert Rehlen, Hans Grässel oder Ludwig Naneder entworfen wurden. Leitbilder, an denen ich mich gerne orientiere, sind der Städtebau Theodor Fischers, große städtische Blöcke wie die von Kay Fisker, Hamburger Kontorhäuser oder die Gebäude in und um Chicago von Adler & Sullivan bis hin zu Frank Lloyd Wright.
Wohin gehen die Trends und Entwicklungen in der deutschen Architektur?
Matthias Haber: Trends interessieren mich gar nicht. Sie sind Modeerscheinungen, die sich erst beweisen müssen, um zeitlos, um zum Stil zu werden. Dieser wird dann gegebenenfalls als Referenz relevant.
Welche Rolle spielt Klinker für Sie in der Architektur?
Matthias Haber: Klinker hat immer eine große Rolle in der Architektur gespielt und wird das auch in Zukunft tun. Das Material ist das eigentliche Sinnbild für „Ich baue ein Haus“. Seine Verwendung ist daher immer eine Option, die ich beim Gestalten von Architektur in Betracht ziehe.
Klinker ist ein altbewährter Baustoff. Wie prägt er die Architektur in Deutschland und Europa?
Matthias Haber: Klinker hat hierzulande und anderswo Gebäude, Orte, Städte und sogar Regionen geprägt. Über die Wahrnehmungsgewohnheit formt er deren Identität und ist deshalb heute noch sehr wichtig. In der Vergangenheit gab es sehr viele Formteile, die man als Gesims vermauern konnte. Diese finde ich sehr interessant.
Welche Eigenschaften des Klinkers sind es, die Sie überzeugen?
Matthias Haber: Ich mag den Maßstab. Es entsteht bei der Verlegung immer ein immanentes Muster oder mindestens eine Struktur, über die man sich Gedanken machen muss.
Für welche Bauwerke eignet sich Klinker besonders?
Matthias Haber: Klinker eignet sich erstmal für alle Gebäudetypen gleich. Aus städtebaulicher Perspektive etwa erschiene es mir sehr attraktiv, ein Stadion aus Stahl und Ziegel zu bauen, das sich als Teil der Stadt in diese einordnen würde wie beispielsweise das Wrigley Field Stadium in Chicago. Leider verhindern dies heutzutage die erforderlichen Brandschutz- und Sicherheitsstandards.
Welche architektonischen Grenzen hat der Klinker? Für welche Bauwerke eignet er sich nicht?
Matthias Haber: Architektonische Grenzen gibt es meiner Meinung nach nicht, vielleicht technische Grenzen. Die muss man kennen.
Mit welchen Maßnahmen kann die Klinkerkultur erhalten und gefördert werden?
Matthias Haber: Wichtig ist meines Erachtens, dass der Handlungsspielraum für die Gestaltung mit Klinker und des Klinkers selbst wieder erweitert wird. Das betrifft die Entwicklung von Sonderanfertigungen für ein bestimmtes Projekt, wie wir sie teilweise schon gemeinsam mit der Firma Hagemeister durchgeführt haben. Architekten müssen Details der Ziegelfarbe, Form oder Verlegung in Zusammenarbeit mit den Herstellerfirmen zu einem gewissen Grad flexibel bestimmen können. Daneben ist ein Repertoire für Sonderformteile wiederzuentdecken, wie es früher beispielsweise im Bereich der Gesimse existierte.
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