Alexander Schwarz ist Architekt und Partner bei David Chipperfield Architects in Berlin. Für ihn ist Klinker eines der nachhaltigsten Baumaterialien. Mit Blick auf Langlebigkeit könne der Klinker seine Qualitäten voll ausspielen. Denn energieeffizient zu bauen, bedeutet für ihn, den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes zu betrachten.
Warum ist Klinker für die Architektur von David Chipperfield Architects interessant?
Alexander Schwarz: Es ist ziemlich erstaunlich, darüber nachzudenken, was der Klinker in seiner Unschuld alles leistet. Er hat eine sehr große Selbstverständlichkeit. Er ist sehr normal, und gleichzeitig kann er ganz viel. Das zeigt sich, wenn man bedenkt, was eine monolithisch gemauerte Wand alles kann.
Gibt es Beispiele dafür?
Alexander Schwarz: Ein gutes Beispiel ist der Wiederaufbau des Neuen Museums in Berlin. Aus der Ferne soll die Botschaft des Gebäudes nicht das ehemals Ruinöse sein, sondern der geheilte Bau. Für die großen Baukörperergänzungen haben wir als Material Altziegel verwendet. Durch den Kohlebrand zeigt er ein Farbspektrum von Rot über Rosé und Gelb bis Grau. Dieses Spektrum entspricht der Farbpolychromie des Ursprungsbaus, der Sandstein imitiert. Als Außenwand des Neuen Museums haben wir eine ein Meter dicke gemauerte Wand. Die unglaubliche Qualität des Ziegels besteht darin, dass er die – sagen wir – sieben Probleme löst, vor die heutzutage eine Außenwand gestellt wird und die üblicherweise mit sieben verschiedenen Schichten beantwortet werden. Eine ein Meter dicke Ziegelwand kann das alles auch: tragen, dämmen, speichern, schützen, überdauern und auch schön sein. Wir sollten darüber nachdenken, was die Integrität einer Wand ist. In dieser Frage ist die Ziegelindustrie ganz weit vorn.
Welche Eigenschaften des Klinkers sind es, die Sie überzeugen?
Alexander Schwarz: Die langfristige Gültigkeit ist ein Aspekt von Backstein, der uns sehr interessiert. Er hat die Fähigkeit zu altern, und er hat als Material eine unglaubliche Integrität, die schwierig bei anderen Materialien zu finden ist – zumindest gepaart mit der Eigenschaft, dass er gleichzeitig sehr unprätentiös ist.
Für welche Bauwerke eignet sich Klinker besonders?
Alexander Schwarz: Tektonisch gesprochen eignet sich Klinker insbesondere für Bauwerke, die in ihrer Form Druckkräfte veranschaulichen. Wenn Backstein Zugkräfte veranschaulicht, ist es ein großes Kunststück. Dann verliert er seine Selbstverständlichkeit.
Geeignet ist der Klinker immer dann, wenn man versucht, dem Bauwerk eine physische Präsenz zu geben. Beispielsweise im Gegenpol zu einer Glasarchitektur. Ein weiterer Vorteil ist die geringe Modulgröße, weshalb er sich auch gut als Reparaturmaterial eignet. Er kann kleinteilig auf Bruchkanten reagieren. Ziegelvolumen lassen sich sehr selbstverständlich reparieren.
In welche Richtung sollte sich Klinker entwickeln, damit er zukunftsfähig bleibt?
Alexander Schwarz: Eine hervorragende Eigenschaft des Klinkers ist seine Normalität, diese Unschuld, die er an den Tag legt. Er ist nicht einseitig optimiert und ist eigentlich kein Produkt, sondern ein Material.
Wir arbeiten viel mit Altziegel. Gerade wegen seiner scheinbaren Schwächen, beispielsweise Abweichungen in Farbe und Maß. Die mangelnde Maßhaltigkeit des Altziegels stellt Maurer immer vor eine Herausforderung. Wenn es gelingt, wird durch diese scheinbaren Nachteile eine materielle Qualität erzielt, die wir sehr lieben.
Es ist schwierig, bei zeitgenössischem Klinker diese Materialität zu finden. Deshalb würde ich mir für die Ziegelindustrie wünschen, dass sie sich wieder besinnt auf die Ureigenschaft des gebrannten Tons und der natürlichen materialimmanenten Phänomene, die dabei auftreten.
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