Die Sehnsucht nach massivem Klinkermauerwerk

Forum Stadtbaukultur Dortmund

Die Sehnsucht vieler Architekten nach der massiv durchgemauerten Wand war beim 80. Forum Stadtbaukultur Dortmund zum Thema „Mit Klinkern gemauert“ im denkmalgeschützten Klinkerbau der Handwerkskammer Dortmund spürbar. Doch angesichts aktueller Wärmeschutzstandards scheint dieser Traum, der viele historische Klinkerbauten prägt, heute kaum noch realisierbar. Das haben die Architekten Michael Schwarz, Vertretungs-Professor am Lehrstuhl Gebäudelehre der TU Dortmund, Arndt Brüning, Vorstandsvorsitzender im Bund Deutscher Architekten (BDA) Essen, und Stephan Becker, Mitglied im Geschäftsführenden Vorstand im Bund Deutscher Baumeister Architekten und Ingenieure (BDB) Dortmund, deutlich gemacht.

Arndt Brüning: Es gibt kaum ein Baumaterial, mit dem man weniger eingeengt ist

„Aktuelle Wärmeschutzstandards können wir im Mauerwerk derzeit nur mit zweischaliger Wand gewährleisten“, erläutert Arndt Brüning, Vorstandsvorsitzender im Bund Deutscher Architekten (BDA) Essen und Gesellschafter des Architekturbüros Brüning Rein, die Auswirkungen der gesetzlichen Vorschriften auf die Klinkerarchitektur. „Doch unter den Aspekten der Nachhaltigkeit, bei der man auch die Bauunterhaltung berücksichtigt, rechnet sich Klinkermauerwerk auch heute noch.“ Ihn begeistert vor allem die Vielfalt an Farbigkeit, die Handwerklichkeit und Maßstäblichkeit des Ziegels. Brüning ist überzeugt: „Es gibt kaum ein Material, mit dem man weniger eingeengt ist als mit Ziegel.“ Das zeigte er anhand verschiedener Einfamilienhäuser und Industriebauten sowie am Beispiel des Foyer-Umbaus am Theater Osnabrück. Mit einer hellen Klinkerfassade tritt der Foyerbau hinter der prominenten Fassade des Hauptgebäudes zurück und unterstreicht so seine angegliederte aber nachgelagerte Bedeutung. Das konstruktive Element der Dehnungsfuge, die das zweischalige Mauerwerk erfordert, haben die Architekten Brüning Rein in Form von Lisenen umgesetzt, die sich als Gliederungselemente aus den Fenstern in der Fassadenfläche fortsetzen.

Michael Schwarz: Klinker vermittelt zwischen unterschiedlichen Entstehungszeiten

Wie harmonisch eine Klinkerfassade zwischen unterschiedlichen Entstehungszeiten von Bauwerken eines Ensembles vermitteln kann, zeigte Michael Schwarz, Vertretungs-Professor am Lehrstuhl Gebäudelehre der TU Dortmund und Gesellschafter des Architekturbüros Profs. Spital-Frenking + Schwarz, am Beispiel der Erweiterung der Ernst-Immel-Realschule in Marl: „Im Gegenüber zur, zurückhaltend expressiv gestalteten, Backsteinfassade des Bestandes (aus den 1930er Jahren) vermittelt die Fassadengestaltung der neuen, vertikal gegliederten Hoffassade durch die Übernahme von Proportionen, Eingangsmotiv und Reliefelementen zwischen Alt- und Neubau.“ Vor allem die Nachhaltigkeit des Klinkers, seine haptischen Qualitäten, die Rauigkeit der Oberfläche, seine Standhaftigkeit und Lichtwirkung begeistern Schwarz, so dass er den gebrannten Ton über die Fassadengestaltung hinaus auch in die Boden- und Außen- wie Innenraumgestaltung fließen lässt. Beispiele sind die Erweiterung der Ostwall-Grundschule Lüdinghausen, bei der sich die Klinkerfassade in der gepflasterten Schulhofgestaltung fortsetzt, sowie die Erweiterung des Richard-von-Weizsäcker-Berufskollegs Lüdinghausen. Im Außenraum des langgestreckten Baukörpers führt ein gliederndes Raumelement aus Klinker das Material der Schulfassade als Freiluftklassenzimmer fort. Im Inneren prägen Pflasterklinker und Klinkerwände die Raumwirkung.

Stephan Becker: Klinker funktioniert auch an stark befahrenen Straßen

An welchen Stellen Klinkerarchitektur auch das Stadtbild Dortmunds prägt, veranschaulichte Stephan Becker, Mitglied im Geschäftsführenden Vorstand im Bund Deutscher Baumeister Architekten und Ingenieure (BDB) Dortmund und Inhaber des Architekturbüros Natürlich Architektur: Der Ziegel prägt Landmarken wie den U-Turm der ehemaligen Union-Brauerei, den Gerber Architekten zum Zentrum für Kunst und Kreativität umgebaut haben, den Wasserturm des Dortmunder Südbahnhofs und alte Industriearchitektur wie die Zeche Zollern, in der das LWL-Industriemuseum beheimatet ist. „Klinker funktioniert auch an stark befahrenen Straßen, weil er anders altert als Putz und andere Fassadenmaterialien“, verdeutlicht Becker an einem Wohngebäude mit markanter Ecklösung aus Klinker an der Mallinckrodtstraße, einer Hauptverkehrsstraße, die quer durch die Dortmunder Nordstadt führt.

Geringere Ausstattungsstandards – wertigeres Baumaterial

In der Wertschätzung des Klinkers als nachhaltiges, schön alterndes Baumaterial sind sich die Referenten und die Zuhörer des Forums Stadtbaukultur Dortmund einig. Um auch in Zukunft  öffentliche Bauten mit ihrer strengen Kostenkalkulation in Klinker mauern zu können, empfehlen die Architekten, die Ausstattungsstandards zurückzuschrauben zugunsten einer höheren Wertigkeit des Baumaterials.

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