Baukultur in Klinker

Architektenseminar im Ziegelwerk 2013

Klinkerarchitektur hat zu jeder Zeit einen bedeutenden Beitrag zur Baukultur geleistet. Das haben die Referenten des Architektenseminars im Klinkerwerk Hagemeister beispielhaft vor knapp 400 Architekten und Planern gezeigt. Zwei Tage lang beleuchteten Robert Wetzels, Inhaber des Kölner Büros bob-architektur, Jan Peter Wingender, Gesellschafter von Wingender Hovenier Architecten BV aus Amsterdam, Jörg Preckel, Partner von Pfeiffer-Ellermann-Preckel GmbH aus Münster und Paola Pellandini, Architektin im Schweizer Studio Architetto Mario Botta, herausragende Klinkerarchitektur in Deutschland, Italien, den Niederlanden, der Schweiz und China. Ihre Beispiele veranschaulichen, dass in der aktuellen Architektur die konstruktive Funktion des Ziegels als Baumaterial hinter seine dekorativen und langlebigen Eigenschaften als Verblendmaterial rückt.

Mario Botta: Weltweite Klinkerarchitektur

Einen Hauch von Weltflair in Klinker verbreitet Paola Pellandini vom Schweizer Studio Architetto Mario Botta mit ihrem fotografischen Streifzug durch die Backsteinarchitektur Mario Bottas. Inspiriert unter anderem vom Turm des Palazzo Guinigi im italienischen Lucca und den mittelalterlichen Türmen von Pavia in der Lombardei, suche Botta mit seiner Backsteinarchitektur den Dialog zur gebauten Umgebung – ob in seinen Wohnungsbauten in Lugano und Vacallo oder im niederländischen Haarlemmermeer, in seinen Sport- und Kulturbauten im bolivianischen Santa Cruz de la Serra, im San Francisco Museum of Modern Art oder einem aktuellen Bauprojekt in Shanghai. Bei allen diesen Projekten lässt die Fassadentextur aus Backstein oder Tonscheiben die starke Formensprache Bottas wirken.

Jan Peter Wingender: Backstein als Kleid

In einem historischen Streifzug durch die niederländische Backsteinarchitektur zeigt Jan Peter Wingender die vielseitige Verwendung des getrockneten und später gebrannten Tons als traditionell massives Baumaterial und in der aktuellen Architektur immer mehr als Gebäude umhüllendes, bekleidendes Material. Wingender ist überzeugt: „Seine zunehmende Bedeutung als Bekleidungsmaterial verleiht dem Backstein seine eigene Lobby.“ Am Beispiel von zwei Wohngebäuden im Hafengebiet von Amsterdam und einer Blockrandbebauung ermutigt er zum spielerischen Umgang mit Klinker, dessen Aufgabe es sei, die jeweilige Konstruktion und -kubatur eines Bauwerkes zu fassen.

Jörg Preckel: Mut zum Spiel

„Bei aller Massivität, die die historische Ziegelarchitektur geprägt hat, war oft auch der Bedarf nach Zierat und Ornamentik selbst bei Festungen, Zechengebäuden und Brauereien ablesbar“, macht Jörg Preckel anhand von Beispielen der Architekturgeschichte deutlich. Darüber hinaus veranschauliche die Speicherstadt in Hamburg die bauphysikalischen Qualitäten einer massiven Ziegelwand, die mit einem einfachen Kalkanstrich ein optimales Raumklima erreiche, in dem sich jede Art von Waren lagern ließe.

Mit dem Erweiterungsbau des historischen Rathauses Lüdinghausen, einem Schulbau in Vreden, dem Anbau an ein klassisches Ziegelwohnhaus und einem Supermarkt in Nottuln verdeutlicht Preckel die vielseitigen Einsatzmöglichkeiten von Ziegel in aktuellen Projekten seines Architekturbüros. Er ermuntert: „Ich rate jedem, zurück zu diesem schönen Material zu kommen, Laibungen auszuformen, Details zu akzentuieren, damit man wieder das Herz des Ziegels entdeckt.“

Robert Wetzels: Baukultur auch im Alltäglichen

Robert Wetzels schätzt den Klinker, um auch bei einfachen Baukörpern wie Gewerbebauten ein hohes Maß an Architektur zu realisieren. „Unsere Visitenkarte ist es, Dinge auch im Kleinen umzusetzen“, sagt er mit Hinblick auf Details, die Baukultur auch im Alltäglichen ermöglichen. Ein aktuelles Beispiel seines Architekturbüros bob-architektur ist der Neubau des Einkaufszentrums EK3 in Kamp-Lintfort. Markantes Merkmal ist eine 350 Meter lange Fassade aus klassisch rotem Ziegel, der die Farbigkeit der Region aufnimmt und mit tiefen Rücksprüngen großflächige Werbung optisch verträglich integriert.

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